Seismische Gefährdung
Die seismische Gefährdung einer Region ist im Idealfall definiert als eine Wahrscheinlichkeit für die Überschreitung eines Grenzwerts für die Bodenbewegung in einem bestimmten Zeitraum. Im Hinblick auf die Evaluierung der Gefährdung für eine Region mit gemäßigter seismischer Aktivität besteht der wesentliche Beitrag der Forscher des Seismologieteams in der Kenntnis der Erdbebenquellen und in der Entwicklung von Methoden, die für die Bearbeitung und die Modellierung von seismischen Signalen erforderlich sind (instrumentelle Seismizität, Herdmechanismen und sonstige Quellparameter, Untersuchung der nicht tektonischen Ursachen). Das Seismologieteam trägt auch zur Beobachtung und Modellierung der lokalen Effekte bei ausgehend von Beschleunigungsmessdaten und makroseismischen Daten. Die anderen für die Untersuchung der Erdbebengefährdung in einer bestimmten Region erforderlichen Bereiche sind Teil einer transversalen Vorgehensweise innerhalb des IPGS. Dies betrifft sowohl die Definition der langfristigen Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Erdbeben (Untersuchung der aktiven Verwerfungen und des Grads der tektonischen Deformation) als auch die Untersuchung der lokalen Standorteffekte, die die genauestmögliche dreidimensionale Kenntnis der Böden und der Sedimentstrukturen durch digitale Modellierung erfordert.
Dank der engen Verbindung zu den Beobachtungsstellen der EOST ist der Fachbereich besonders gut aufgestellt, um die erhobenen Daten in diesem Rahmen auszuwerten, insbesondere für die Untersuchung von seismischen Quellen an den Plattengrenzen und allgemeiner für die Untersuchung von Erdbeben im Europa-Mittelmeer-Raum, und zwar auf der Grundlage der geschwindigkeitsmessenden Komponente von RESIF (Ausstattung für die Beobachtung und das Verständnis des Erdinneren), die im Zeitraum von 2013-2017 an die Stelle der in Kontinentalfrankreich genutzten dauerhaften Instrumente tritt und gleichwertige Instrumente der anderen europäischen Länder ergänzen wird.
Auf regionaler Ebene wird die seismische Gefährdung des Rheingrabens im Rahmen eines Interreg-Projekts untersucht werden, sowohl in Bezug auf die Seismizität (regionale Komponente des nationalen SI-Hex-Projekts, J. Fréchet, S. Lambotte - mit besonderem Augenmerk auf der Aktivität von Randverwerfungen, A. Schlupp) als auch in Bezug auf die Oberflächenstruktur (J. Vergne) und die Standorteffekte (M. Granet).
Auf nationaler Ebene können dank des SI-Hex-Projekts, das bis 2013 vom französischen Umweltministerium finanziert wurde, und des SIGMA-EDF-Projekts die methodischen Werkzeuge entwickelt werden, die für die Überarbeitung des Katalogs für instrumentelle Erdbeben von Kontinentalfrankreich erforderlich sind. Durch diese finanzielle Unterstützung kann insbesondere eine Untersuchung der Coda von regionalen seismischen Wellen durchgeführt werden, um die Magnituden von Erdbeben in den Jahren 1960 und 1970 (M. Cara) genauer zu ermitteln und um historische Seismogramme für Frankreich und die angrenzenden Regionen zu modellieren (M. Cara und L. Rivera).
Auf internationaler Ebene können in den nächsten fünf Jahren mehrere laufende regionale Untersuchungsgebiete im Rahmen der Untersuchung von Kontinentalrifts (bspw.: Golf von Korinth, S. Lambotte) oder von Kontinentalzonen mit langsamer Deformation und hohem Schadenspotential bei Erdbeben (bspw.: Region von Ulaanbaatar in der Mongolei, A. Schlupp; Maghreb mit Algerien, M. Granet, C. Dorbath) fortgeführt bzw. vervollständigt werden.
Auf methodischer Ebene wird die Entwicklung von Techniken zur automatischen Bearbeitung von geschwindigkeitsmessenden Signalen (Data-Mining, Automatisierung der Lokalisation und der Bestimmung der Magnitude, Geräuschanalysen), die derzeit im Rahmen der Observatorien und mehreren Forschungsprogrammen erfolgt (VERCE, NERA, PYROPE) fortgesetzt und ausgebaut (A. Maggi, S. Lambotte, J. Vergne), insbesondere im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem CEA (Commissariat à l’énergie atomique et aux énergies alternatives — Kommissariat für atomare Energie und alternative Energien).
Schließlich werden im Rahmen der Projekte, die Auswirkungen auf die Kenntnis von historischen Erdbeben und von lokalen Standorteffekten haben werden, die Untersuchungen, die auf mikroseismischen Beobachtungen basieren, in Zusammenarbeit mit dem BCSF (Bureau Central Sismologique Français— zentrales französisches Büro für Seismologie), das sämtliche Daten in Kontinentalfrankreich und in den Antillen erhebt, weiterentwickelt. Bei diesen letztgenannten Weiterentwicklungen werden statistische Analysen zur Verletzlichkeit von Bauten in Frankreich, die für die Bearbeitung von makroseismischen Beobachtungsdaten erforderlich sind, eingeschlossen (A. Schlupp).